Ich wusste leider bisher nicht, daß Sie einer der wichtigsten Menschen sind, die man heute noch zu Ottomar Domnick und seinen Filmen fragen kann.
Heimo Bachstein kann als regelrechter Experte für den deutschen Filmautor Ottomar Domnick bezeichnet werden. Anhand unterschiedlicher Fundstücke über und von Domnick lässt sich sein experimentelles Filmschaffen rekonstruieren. Die Sammlung ist in dieser Form ein einzigartiges Dokument des jungen experimentellen Films nach Ende des 2. Weltkrieges.
Die in der Ausstellung gezeigten Exponate veranschaulichen auch, wie Bachstein archivierte. Der Filmenthusiast sammelte persönliche Korrespondenzen mit dem Filmschaffenden, diverse Filmstills zum Film JONAS (1957) sowie eigene Rezensionen zu diesem Film. Aus dem Briefwechsel wird zudem ersichtlich, dass Domnick selbst dem Filmenthusiasten Bachstein einen Großteil der archivierten Materialien anvertraut hat.
Für den Augenmenschen D. war das Medium Film gestalterische Bildkunst mit der Kamera. […] Der unbequeme Mann ging andere Wege: den Weg zum experimentellen Spielfilm.
Heimo Bachstein beschäftigte sich intensiv mit der Filmkunst des deutschen Regisseurs Ottomar Domnick. Der besondere Schwerpunkt der archivierten Materialen liegt auf seinem ersten Langfilm JONAS (1957). Zu diesem archiviert Heimo Bachstein nicht nur als Sammler zahlreiche Filmstills und Rezensionen, sondern agiert in seinem Archiv selber als Autor über Domnicks Schaffen.
Die Konstruktion eines Netzes ist ein Versuch, die auf den ersten Blick nicht-qualifizierbaren Gegenstände in Verbindung zueinander zu bringen. Die Medien im Archiv kommentieren sich und verweisen wechselseitig aufeinander. Was sich daraus ergibt, ist eine „Geschichte im Aufbau, deren Ausgang niemals vollständig zu erfassen ist.“*
Wie es sich Domnick zur Aufgabe gemacht hat, „die Menschen an die Entwicklung der Malerei zur Abstraktion hinzuführen“, zeichnet sich auch bei Bachstein die Bemühung ab, das Filmschaffen Domnicks als „Vater des anderen Kinos“** in die Öffentlichkeit zu tragen. Als „der … einsamste und unwiederholbarste Film unserer Tage“*** von der Presse kritisch beäugt, provozierte Jonas in seiner ganz neuen Form das Interesse Bachsteins: geprägt von Domnicks Beruf als Arzt, spiegelt Jonas in abstrakten Bildern und Tönen die menschliche Psyche wieder. Die Begeisterung Bachsteins zeigt sich deutlich in seiner handschriftlichen Rezension:
Sein erster Film, noch etwas stark didaktisch angelegt, stieß wegen seiner ungewohnten Bildsprache noch auf Unverständnis. In JONAS […] fand er ein geeignetes Thema, seine künstlerischen Vorstellungen von moderner Bildsprache, asynchronem Tom und einem kontrapunktisch eingesetzten Musik in einem Spielfilm zu realisieren. Der Film wurde in einer Zeit, in der […] die Filmthemen‚ gesellschaftsformend’ wurden, dennoch erfolgreich, was die vielen nationalen und internationalen Preise beweisen.
In Bachsteins Archiv sind sie verborgen: Die Besonderheiten über den Avantgardefilm JONAS und das Filmschaffen Domnicks. Trotz unvermeidlicher Lückenhaftigkeit wird ein lebendiger Entwurf des Archivs konstruiert, der stets eine neu durchdachte Geschichte über den Cinephilen hervorbringen kann. Im Netzwerk zeigt sich nur ein Bruchteil der gesammelten Dokumente. Durch seine Bemühungen erzeugt Bachstein eine filmhistorische Grundlage für die Aufarbeitung des deutschen Avantgardefilms. Unbestimmt bleibt, welche Ausmaße seine Recherchen über die Grenzen des Netzwerkes hinaus annahmen.
Hier der Link zum Ausstellungs-Flyer zum Ausdrucken und Nachlesen: Ottomar Domnick – Rekonstruktion eines experimentellen Cinephilen
Zitat 1: Guntram Vogt in einem Brief vom 12.07.2005 an Heimo Bachstein
Zitat 2: Handschriftliche Rezension von Heimo Bachstein über Domnick
Zitat 3: Handschriftliche Rezension von Heimo Bachstein über Domnick
*Arlette Farge: Le Gout de l’archive. Paris: Seuil 1989, S. 135.
**Handschriftliche Rezension von Heimo Bachstein über Domnick
***Günther Minas: Der Regisseur Ottomar Domnick. Berlin: Freunde der Deutschen Kinemathek 1988, S. 2.